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Zu den ElefantenOverlay E-Book Reader

Zu den Elefanten

Novelle | Peter Karoshi

E-Book (EPUB)
2021 Leykam Buchverlag
Auflage: 1. Auflage
208 Seiten
ISBN: 978-3-7011-8213-8

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Kurztext / Annotation
Eine Reise zu sich selbst - auf einer Route voller Geschichten und Erinnerungen. Ein diffuser Schwebezustand hat sich in Theos Leben festgesetzt und der Kulturwissenschaftler fragt sich, ob es sich dabei um einen Übergang oder endgültigen Stillstand handelt. Sollte das Ziel ein geglücktes Leben sein, wird er die Beziehung zu Anna, seiner Frau, und seinem Sohn Moritz ändern müssen. Da könnte es sich anbieten, eine Vater-Sohn-Reise zu machen, entlang des Wegs, auf dem der spätere Kaiser Maximilian II. den Elefanten Soliman vor Jahrhunderten vom Mittelmeer nach Wien brachte. So soll es auf der gleichen Route, dieses Mal in umgekehrter Richtung, von Österreich über Südtirol bis nach Genua gehen. Doch schnell steht das seltsame Gespann vor großen Problemen. Scheinbar in sich selbst verloren und an der Gegenwart verzweifelnd, erzählt Theo in Tagebuchform von einer Reise in das Wissen, dass es die Vergangenheit, Erinnerungen und das Gedächtnis sind, die die Gegenwart tragen. Eine Reise, die eine dramatische Wendung nimmt und durch die der Erzähler erkennt, dass ein Leben ein langer Fluss aus Erklärungs- und Beobachtungsversuchen ist und man sich zuerst verlieren muss, wenn man zueinander finden will. Eine Novelle, die in ihrer Mischung aus Präzision und traumwandlerischen Atmosphäre den Ton von Musils 'Drei Frauen' in die Gegenwart übersetzt. Bernd Melichar, Kleinen Zeitung: 'Ein vorsichtiges Alter für beide - vierzig und neun. Mitten im Leben hinterfragt der Vater den 'Bauplan des Lebens' und macht sich mit seinem Sohn auf zu einer gemeinsamen Reise. Der Historiker und Schriftsteller Peter Karoshi hat daraus - und diese Gefahr ist immanent bei diesem Thema - kein gezwungen cooles 'On The Road' gemacht, sondern eine ehrliche Selbsterkundung, die unter anderem zu folgender Erkenntnis führt: Das Leben lässt sich in keinem Wikipedia-Eintrag zusammenfassen. Wer mehr darüber erfahren will, muss sich auf die Reise machen. So, wie Peter Karoshi das gemacht hat. Seine Figuren ruhen nicht in sich, seine unaufgeregte Sprache tut es schon. Und dass das titeltragende Tier ein Elefant ist, hat nicht nur historische Hintergründe. Dem Elefanten wird ja bekanntlich ein sehr gutes Gedächtnis nachgesagt. Darüber verfügt auch der Mensch - wenn er sich daran erinnert.'

Der Historiker, Studium der Geschichte und Anglistik/Amerikanistik an der Karl-Franzens-Universität in Graz, hat von 1999 bis 2005 am transdisziplinären Spezialforschungsbereich 'Moderne - Wien und Zentraleuropa um 1900' im Fachbereich Österreichische Geschichte in Graz mitgearbeitet und über Pluralitäten, Heterogenitäten und Gedächtniskulturen in Vielvölkerstaaten geforscht. Sein erster Roman 'Grünes grünes Gras' erschien 2009. Peter Karoshi lebt in Wien.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Dienstag 3. Juli

Am nächsten Morgen verstanden wir uns glücklicherweise endgültig wieder gut. Ganz im Gegensatz zu unseren wenigen Bekannten sind wir beide morgens mit einem erstaunlich sonnigen Gemüt ausgestattet, an diesem Tag allenfalls getrübt von einer zu früh gerauchten ersten Zigarette auf der kalten Terrasse und den damit verbundenen Vorwürfen der Missachtung von Gesundheit und allen Konsequenzen eines solchen Verhaltens.

Wir saßen einander gegenüber, die ersten wirklichen Sommersonnenstrahlen auf unseren Profilen. Der glitzernde Rasen zu meiner linken, rechts das Haus vor dem Berg, von dem, immer das Bachbett entlang, ein kühler Wind herunterkam, der auch durch die Sträucher und Bäume nicht gebremst wurde. Gleichzeitig aber kam vom Tal herauf ausflockender Morgennebel, alles zusammen erinnerte uns daran, dass wir Glück gehabt hatten. Trotz der andauernd unsicheren Verhältnisse, was das finanzielle Auskommen, aber auch, in meinem Fall, die Beschäftigung überhaupt betraf.

Ich zündete mir eine neue Zigarette an.

»Ich habe gesehen, dass du wieder viele Bücher, gute Freunde quasi, eingepackt hast. Wie viele aber wirst du davon lesen? Fernand Braudel und Die Welt des Mittelmeeres? Wobei wir ja immer nur die Rezepte der Méditerranée gekocht haben, oder?«

Ich nickte, übersah ihr Grinsen geflissentlich. »Das vielleicht noch am ehesten, von den anderen: kein einziges«, sagte ich. Wir lachten. Eine Lüge, aber gut, wenn du von dreißig Büchern vielleicht eines, zwei lesen wirst, in zwei Monaten, dann macht das wirklich keinen großen Unterschied.

»Ein einziges neues ist mir aufgefallen: Die Geschichte der Kindheit.«

»Philippe Ariès«, ergänzte ich, »willst du wissen, worum es da drin geht?«

»Nur wenn du mir eine Zusammenfassung des Wikipedia-Artikels dazu sagen kannst.«

»Dann lieber doch nicht. Oder nein, viel besser: der Buchtitel wird dir in diesem Fall genügen müssen.«

Sie nickte ebenfalls, schätzte die Anerkennung ihrer Wünsche. Dann soll sie eben auch wirklich auf Wikipedia nachlesen, worum es sich da dreht. Was sie offenbar nicht wusste, und das wunderte mich sehr, war, dass ich dieses Buch in praktisch jedem Sommer nach Sonnseit mitgebracht hatte. Gut versteckt von mir entweder, nie aufgepasst von ihr, das wäre dann das oder.

»Brauchst du das für die Arbeit?«

»Nein, das ist ja völlig veraltet. Ich lese nur hin und wieder so hinein.«

»Mich kannst du ja mit sowas jagen, die Geschichte der Kindheit. Das wollen wir besser alles gut ruhen lassen.«

»Sagt die abgeklärte Biologin.« Aber darauf wollte sie gar nicht eingehen.

»Gerade weil wir Eltern sind, ist eine Geschichte des Kindes irgendwie auch nicht mehr so relevant? So irgendwie um die Ecke gedacht«, versuchte ich ihren Gedanken weiterzuführen.

»Ja, natürlich«, sagte sie versonnen, »die Kindheit geht zu Ende, neue Abschnitte beginnen.«

Ich sah sie ernsthaft an, weil ich's mir nicht schon am ersten Tag nach einem Streit wieder mit ihr verderben wollte. Ich wollte, dass sie meine Bemühungen bemerkte und dachte doch daran, dass ich unserem Sohn gegenüber etwas als Meinungsverschiedenheit abgetan hatte, dass doch letztendlich viel gefährlicher war. Eigentlich, erkannte ich, fürchtete ich mich. Aber wovor ich mich fürchtete, war mir nicht so ganz klar.

»Ja«, sagte ich also leichthin, »beruhigend, das Kind so weit zu sehen.« Und nach einer Pause: »Eine erste Grenze wurde jedenfalls überschritten. Nach all dem Rennen um und für das Kind, auch einmal wieder zu sich selbst finden. Es war ja streckenweise so, als würde man einem Plan folgen, der tief in einem abgespeichert ist, ein Bauplan des Lebens, der zum Selbstläufer wird, zum Schutz der Kinder in diesen Anfangszeiten.«

»Ja, von mir