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Nichts tun

Die Kunst, sich der Aufmerksamkeitsökonomie zu entziehen | Jenny Odell

E-Book (EPUB)
2021 Verlag C.h.beck
Auflage: 1. Auflage
298 Seiten
ISBN: 978-3-406-76832-3

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Kurztext / Annotation
AN ALLE FOLLOWER UND INFLUENCER: EROBERT EUER LEBEN ZURÜCK!

Wir leben inmitten einer kapitalistischen Aufmerksamkeitsökonomie, die unsere Sinne und unser politisches Bewusstsein verkümmern lässt. 'Nichts tun' ist der wohlüberlegte Aufruf, unser Leben fernab von Effizienzdenken und Selbstoptimierung zurückzuerobern. Ein provokatives, zeitgemäßes und glänzend geschriebenes Buch, das die Leser*innen aufrütteln wird.
Unsere Aufmerksamkeit stellt die wertvollste Ressource dar, über die wir verfügen. Im Effektgewitter kommerzieller Internetplattformen wie Facebook, Twitter, Instagram oder TikTok wird sie jedoch permanent überspannt. Jenny Odell plädiert in ihrem Buch auf eindrückliche Weise für ein radikales Innehalten, statt unsere kostbare Freizeit weiter an die kurzfristigen Verlockungen der Aufmerksamkeitsökonomie zu verschwenden. Nur über bewusste Formen des Nichtstuns finden wir heute noch zu uns selbst: etwa wenn wir uns phasenweise wieder in unsere natürliche Umgebung zurückziehen lernen, die Kunst der Naturbeobachtung kultivieren und authentische Begegnungen mit anderen zulassen. Odell versteht ihre Anleitung zum Nichtstun gleichsam als Akt des politischen Widerstandes, um der notorischen Selbst- und Naturzerstörung im Kapitalismus etwas entgegenzusetzen und die Forderung nach demokratischer Partizipation und Solidarität mit Leben zu erfüllen.


  • Eine fulminante Kritik an unserem Umgang mit sozialen Medien
  • Wir wir uns leichtfertig von Twitter, Instagram und Co. instrumentalisieren lassen
  • Auf der Liste von Barack Obamas 'Favorite Books of 2019'
  • THE NEW YORK TIMES-Bestseller


Jenny Odell ist Künstlerin und Schriftstellerin. Sie lehrt an der Stanford University und war als Artist-in-Residence bei Facebook, dem Internet-Archiv und der Planungsabteilung der Stadt San Francisco tätig. Ihre Arbeiten erschienen u.a. in der New York Times, dem New York Magazine, The Atlantic, The Believer, The Paris Review und McSweeney's. Sie lebt in Oakland, Kalifornien.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

EINLEITUNG


DAS NÜTZLICHSEIN ÜBERLEBEN


Die Rettung hält sich an den kleinen Sprung in der kontinuierlichen Katastrophe.


WALTER BENJAMIN[1]



Nichts ist schwerer als das Nichtstun. In einer Welt, in der unser Wert an unserer Produktivität gemessen wird, erleben viele von uns, dass jede einzelne unserer Minuten erfasst, optimiert oder durch die Technologien, die wir täglich nutzen, als finanzielle Ressource in Dienst genommen wird. Wir unterwerfen unsere Freizeit numerischen Evaluationen, interagieren mit algorithmischen Versionen voneinander, bauen Personenmarken auf und pflegen sie. Einigen mag diese Rationalisierung und Vernetzung unserer gesamten gelebten Erfahrung so etwas wie die Befriedigung eines Ingenieurs verschaffen. Und doch bleibt eine Art nervöses Gefühl der Überreizung und der Unfähigkeit, einen Gedankengang zu Ende zu führen. Auch wenn es vielleicht schwierig ist, dieses Gefühl zu fassen, bevor es hinter dem Schleier der Ablenkung verschwindet, ist es doch tatsächlich drängend. Wir begreifen noch immer, dass vieles, was dem eigenen Leben Bedeutung verleiht, durch Zufälle, Unterbrechungen und unverhoffte Begegnungen zustande kommt: durch die «Auszeit», die unsere heutige mechanistische Auffassung von Erleben immer mehr zu eliminieren droht.


Bereits 1877 betrachtete Robert Louis Stevenson «extreme Emsigkeit» als «Zeichen für mangelnde Lebenskraft» und beschrieb «ein paar lebendig-tote, abgediente Leute, die sich kaum ihres Lebens bewußt sind, außer in der Ausübung einer konventionellen Beschäftigung».[2] Und dabei leben wir doch nur einmal. In «Von der Kürze des Lebens» beschreibt Seneca das Grauen, zurückzublicken und zu begreifen, dass einem das Leben zwischen den Fingern zerronnen ist. Das klingt tatsächlich ganz so, als würde jemand aus dem Stupor einer auf Facebook vertanen Stunde wieder erwachen:


Wohlan, überschlage dein Leben und gib Rechenschaft davon  ; frage dich  wieviel dir von deinem Leben durch andere weggenommen worden, ohne daß du den Verlust gewahr wurdest, wieviel dir vergebliche Trauer, törichte Freude, unersättliche Begierde, der Reiz der Geselligkeit Zeit geraubt, wie wenig dir von dem Deinigen geblieben  und du wirst einsehen, daß du stirbst ehe du reif bist.[3]


Auf kollektiver Ebene steht mehr auf dem Spiel. Wir wissen, dass wir in komplexen Zeiten leben, die komplexe Gedanken und Gespräche erfordern  und diese wiederum benötigen genau die Zeit und den Raum, die man nicht hat. Die Bequemlichkeit der grenzenlosen Konnektivität hat die Nuancen der persönlichen Konversation fein säuberlich zugepflastert und dabei allzu viel Information und Kontext amputiert. In einem unaufhörlichen Kreislauf, in dem die Kommunikation verkümmert und Zeit Geld ist, sind die Momente, in denen man sich davonstehlen kann, rar, und die Möglichkeiten, zueinander zu finden, noch rarer.


In Anbetracht dessen, wie jämmerlich Kunst in einem System überlebt, das nur den Profit wertschätzt, steht auch die Kultur auf dem Spiel. Was die Anschauung des neoliberal-technokratischen Manifest Destiny und die Kultur Trumps gemeinsam haben, ist die Unduldsamkeit gegenüber allem Differenzierten, Poetischen oder weniger Offensichtlichen. Solche Formen von «Nichts» können nicht toleriert werden, da man sie sich weder zu Nutze machen noch aneignen kann, und sie keine Leistung erbringen. (In diesem Kontext betrachtet, kommt es wenig überraschend, dass Trump dem National Endowment for the Arts die Finanzierung entziehen will.) Im frühen 20.&nbs